Interview mit Günther Bloch

Günther Bloch gilt als renommierter Kynologe und hat sich durch seine Beobachtungen an wild lebenden Wölfen u.a. im kanadischen Banff-Nationalpark als Wolfsforscher etabliert. Zudem führte Bloch ein viel beachtetes Studienprojekt an frei lebenden Strassenhunden in der Toskana durch.

Wer, wenn nicht er, der beide Spezies tatsächlich erforscht, auf deren Lebensweisen die Rudelstellungslehre sich aufzubauen vorgibt, wäre besser geeignet, hierzu Stellung zu nehmen? Darum freuen wir uns sehr, dass Günther Bloch sich für das folgende Interview bereit erklärt hat!

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© Günther Bloch (Kosmos Verlag)

klargestellt: Sie haben sich doch sicher mit der „Rudelstellungslehre“ beschäftigt und sogar Videos so genannter „Einschätzungen“ durch Frau Ertel gesehen. Wie ist ihr Gesamteindruck?

Bloch: Vielen Dank für diese substantiell wichtige Frage direkt am Anfang. Das gibt mir Gelegenheit, ein für allemal mit den zum Teil böswilligen Unterstellungen aufzuräumen, die im Internet in Umlauf sind. Je länger meine Frau und ich in Kanada leben, wo wir nach Herzenslust langzeitliche Verhaltensbeobachtungen an Wolf, Kojote, Fuchs und Streuner-hunden durchführen können, desto klarer wird uns, wie neidisch so mancher „Rudelstellungsanhänger“ doch sein muss auf Lebensstil und Qualität, die wir hier genießen dürfen.

Nun zu den Fakten: Ich habe nie behauptet, in Wolfsfamilien gäbe es keine Rudelstellungen. Wie käme ich dazu. Was ich nach wie vor vehement bezweifle, ist die Existenz von genetisch-fixierten Rudelstellungen. Zumal das Gegenteil der These beweisbar ist, alle Mitglieder einer Kanidengruppe stünden von Geburt an unumstößlich fest. Rudelstellungen werden in unterschiedlichen Konstellationen und Beziehungsgeflechten über längere Zeiträume hinweg gestestet und erarbeitet, in ritualisierten Verhaltensabfolgen variabel kommuniziert und können sich durch soziale und räumliche Umweltbedingungen massiv verändern. Beispiele aus der Praxis können Sie in der einschlägigen Literatur zuhauf finden. Sobald man jedoch eine solche Argumentationsposition einnimmt, wird einem postwendend unterstellt, nicht richtig beobachten zu können oder fehlerhafte Rückschlüsse aus den Beobachtungen an „degenerierten Wolfsrudeln“ zu ziehen. Was als degeneriert zu subsumieren ist, bestimmt alleine Frau Ertel, die Wolfsverhalten interpretiert, wie es ihr und ihren Anhängern gerade in den Kram passt: wölfisches „Rudelverhalten“ nach Gutdünken. Keiner hat jemals in der Wolfsforschung aktiv gearbeitet, trotzdem weiß man über jede noch so kleine Verhaltensregung genauestens Bescheid. Zumindest theoretisch.

Dem gegenüber steht die ausgesprochen komplexe Materie der Freilandforschung mit ganz konkreten Beobachtungsergebnissen aus der Praxis. Damit will man sich anscheinend jedoch nicht auseinandersetzen. Dennoch wirft man jedem Rudelstellungsskeptiker fälschlicherweise vor, keine Ahnung von Rudelstellungen zu haben, da man keinen Workshop von Frau Ertel besucht habe. Diese Aussage mag ja aus rein kaufmännischer Überlegung heraus ganz clever sein, aus fachlicher Sicht ist sie substanzlos und schlichtweg falsch.
Selbstredend habe ich nach genauem Studium des Buches und nach stundenlangen Gesprächen mit unseren Wolfspaten, die mir objektiv und völlig nachvollziehbar von den Rudelstellungsseminaren berichtet haben, zusammen mit einigen Kollegen mehrere Dutzend Workshop-Videos sachlich und mit der nötigen Sorgfalt analysiert. Da man diese Videos im Internet auf YouTube bewundern darf, brauche ich keine saftigen Workshop-Preise zu bezahlen – ist doch super. Die Falschbehauptung, ich hätte mich mit der Materie der Rudelstellungen nicht ernsthaft beschäftigt, ist also somit nichts anderes als eine dumme Ausrede, weil das ausführliche Filmmaterial mehr oder weniger einem Live-Besuch gleichkommt.

Nach Sichtung des Filmmaterials kommen wir zu nachfolgenden Abschlussbemerkungen: Die einzelnen Sequenzen von durchschnittlich 3-5 Minuten zeigen Momentaufnahmen bzw. Lebensabschnitte von diversen Haushunden. Nicht mehr und nicht weniger. Es fehlt jeglicher Kontext. Was man unzweifelhaft sehen kann, ist, dass der einzige große Baum innerhalb des kleinen eingezäunten Freilaufs auf jeden der einzuschätzenden Hundeindividuen wie ein Magnet wirkt. Logisch, bei solch einer Geruchsanballung. Zwangsläufig konzentriert sich das Explorations- und anschließende Markierverhalten sämtlicher Hunde zunächst einmal auf die intensiven Geruchsmarkierstellen von Artgenossen. Erstaunlicherlicherweise kommentiert Frau Ertel die hier knapp zusammengefasste Faktenlage mit keinem einzigen Wort. Stattdessen behauptet sie, die vererbte Rudelstellung jedes Hundes in Minutenschnelle erkannt zu haben.

Machen wir’s kurz: Unser Gesamteindruck war ein völlig anderer, selbst wenn meine Aussage nun von der Rudelstellungsfraktion als Affront bewertet werden sollte. Die streut ohnehin lieber wilde Gerüchte. Die Krönung der Lächerlichkeit ist eine Behauptung, G. Bloch würde die Rudelstellungslehre sicherlich annehmen, wenn sie ihm ein kanadischer Indianer vermittelt hätte. Oje. Kein Kommentar ohne Rechtsanwalt. Nur eins: Hierzulande kommt „Indianer“ eher einem Schimpfwort gleich.

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© Günther Bloch (Kosmos Verlag)

klargestellt: Wie definieren Sie ein Rudel?

Bloch: Ich mag den Begriff Rudel nicht besonders und verwende ihn schon seit etlichen Jahren nicht mehr. In den Köpfen vor allem von Hundehaltern ist dieser Begriff als streng hierarchisch strukturierte soziale Gruppe mit nach Unterwerfung strebenden „Alphatieren“ etc. verhaftet. Das hat in der Realität zwar weder etwas mit frei lebenden Wölfen oder Wildhunden zu tun, passt aber geradezu optimal in das verallgemeinernde Schubladendenken vieler Menschen. In der Wildbiologie sprechen wir in Bezug auf Kanidenverbände lieber von Familien. Das sind sie im wahrsten Sinne des Wortes: soziale Familienverbände mit echten verwandtschaftlichen Beziehungen. Bemerkenswert kooperative und sozial strukturierte Gruppen mit formal dominanten Elterntieren und deren Nachwuchs aus 2-3 Jahren. Von Ausnahmen abgesehen, entspricht diese Kurzbeschreibung der Regel.

klargestellt: Können Sie nachvollziehen, dass man anhand eines Schlafbildes eines Wurfs frisch geborener Welpen deren spätere Stellung innerhalb eines Rudels bestimmen kann?

Bloch: Ich antworte hier als seit 1991 im Freiland tätiger Kanidenforscher bzw. professioneller Naturalist – ganz wie Sie mögen. Als solcher kann ich mit irgendwelchen nicht belegbaren theoretischen Überlegungen wenig anfangen. Ich glaube nicht an DAS Absolute. Ich bin Praktiker. Kein Theoretiker wie Frau Ertel von „Rudelstellungen“. Ohne ihr zu nahe treten zu wollen, dürfen wir an dieser Stelle zunächst einmal ganz objektiv festhalten, dass weder Frau Ertel noch einer ihrer Anhänger die soziale Organisation von Timberwolffamilien langfristig beobachtet hat. Genau das tue ich. Langzeitbeobachtungen an Tundrawölfen habe ich auch durchgeführt. Und glauben Sie mir: Fotos von der „Geburtsstellung“ frei lebender Wolfsmütter und deren Welpen in Höhlen zu schießen ist absolut unmöglich. Wie der gesunde Menschenverstand uns sagt, klettert keiner in Erdbauten und schaut sich dort die Stellungsformation von Welpen an. Wenn doch, müsste man das Ganze dann noch quantitativ durchziehen, um einigermaßen nachvollziehbare Aussagen treffen zu können. Das ist eine Illusion. Das ist wieder einmal die krasse Diskrepanz zwischen irgendwelchen imaginären Theorien gegenüber praktischer Arbeit in der Freilandforschung.

Im Übrigen können wir anhand mannigfaltiger Beispiele und Bergen an Datenmaterial klar und eindeutig beweisen, dass sich die „Rudelstellungen“ von Timberwolfwelpen erst durch nachhaltiges, intensives und nuanciertes Interaktions- und Spielverhalten nach und nach etablieren. Selbstverständlich gibt es gewisse Veranlagungen. Aber die reichen eben für feste Rudelstellungen bei weitem nicht aus. Wenn alles hundertprozentig fixiert und genetisch vorbestimmt wäre, so wie das Frau Ertel steif und fest behauptet, gäbe es unter Welpen kein sozialstatusbedingtes Interaktionsgeschehen. Das Gegenteil ist aber der Fall. Wölfisches Interaktions-, Kommunikations- und Spielverhalten ist hoch variabel. Das lehrt uns die praktische Verhaltensbeobachtung tagtäglich. Wir sollten dem, was wir sehen, Vertrauen schenken und uns nicht beirren lassen. Wären Wildkaniden nicht so unglaublich anpassungsfähig wie sie es de facto nun einmal sind, sondern starr und unflexibel, gäbe es keine Wölfe & Co mehr. Sie wären längst ausgestorben.

klargestellt: Sie haben in Italien an den so genannten „Pizza-Hunden“ geforscht. Haben Sie bei diesen Hunden statische Rudelstrukturen festgestellt?

Bloch: Nein, das habe ich nicht. Die Hauptbeobachtungsgruppe wurde von einem Leitweibchen dirigiert und geleitet. Somit gab es schon mal keinen „Vorderen Leithund“, sondern vielmehr eine Leithündin. „Eurecia“ hatte als unumstrittene Chefin eine klare Stellung. Vermutlich, weil es sich um eine collieartige Fähe mit herausragenden Sinnesleistungen handelte. Gefahren wie beispielsweise die Annäherung von Wildschweinen machte Eurecia meistens als Erste aus. Das war für die Gesamtgruppe ein wichtiger Überlebensvorteil. Auch sonst gab es klar umrissenen Rudelstellungen – Wächter und Alarmhunde zum Beispiel. Nur schlüpften typischerweise subdominante Gruppenmitglieder in diese Rolle, die ansonsten nicht viel zu sagen hatten. Es waren auch nie einzelne Individuen, sondern immer gleich mehrere Hunde, die sich um die Gefahrenerkennung kümmerten. Viele Aufgabenbereiche wechselten recht häufig. So waren einige der so genannten Alarmhunde je nach Wetterbedingungen und Tagestemperatur zwischenzeitlich alleine unterwegs, gingen baden oder auf die Mäusejagd. Anstatt von fest Fixiertem war primär Variabilität und Flexibilität beobachtbar.

Im Vergleich zum Wolf war vieles total rudeluntypisch, Inzucht beispielsweise an der Tagesordnung. Keiner einzigen Hundemutter kam bei der Aufzucht junger Welpen seitens des ranghöchsten Rüden irgendwelche Unterstützung zu. Helfershelfer gab es auch keine. Kein Nahrungstransport Richtung Erdbau, keine dauerhafte Absicherung des Höhlenstandorts. Nichts dergleichen. Andere Verhaltensaspekte erinnerten wiederum an wolfstypische Gepflogenheiten. Regelmäßiges Chorheulen zum Beispiel oder die Verteidigung von Jungtieren gegenüber Wildschweinen. Ganz a la Wolf verhielten sich die Hunde auch sehr reviertreu, bewachten ein Territorium mit fest etabliertem Wegenetz.

Sobald von dem „Rudelverhalten“ die Rede ist, handelt es sich um eine unseriöse Gleichmacherei. Das Verhaltensrepertoire von Wildhunden ist wie ein „Kessel Buntes“. Bei aller Begeisterung für unzählige Gemeinsamkeiten halte ich Frau Ertels 1:1 Gleichsetzung von Wolf und Hund in Bezug auf das Thema Rudel und Rudelstellungen für einen groben fachlichen Fehler. Wenn sie auf Wildhunderudel mit allen sieben Rudelstellungen verweist, dann soll sie uns doch präzise sagen, wo genau diese leben! Butter bei die Fische: wo kann ich als interessierter Kanidenfreund solcherart Hunderudel beobachten? Als Kanidenforscher bin ich hochgradig neugierig und immer offen für Neues.

klargestellt: Wie verhält es sich mit den Straßenhunden, die in vielen südlichen Ländern anzutreffen sind. Diese Hunde werden nicht von Menschen zu Rudeln zusammengestellt. Schließen sie sich in „strukturierten“ Siebenerrudeln zusammen?

Bloch: DEN Straßenhund gibt es nicht. DAS Straßenhundeverhalten auch nicht. Straßenhund ist nur ein Überbegriff für „feral dogs“, „stray dogs“, village dogs“ etc.pp. Das knallharte Überleben ohne menschliche Hilfe (z.B. selbst die „Pizza-Hunde“ wurden im Wald von Tierschützern gefüttert) ist für wild lebende Haushunde sehr schwierig. Das zeigen sämtliche themenrelevanten Studienergebnisse weltweit. Hin und wieder gibt es tatsächlich Hunde-Gruppen, die sich selbst ernähren können. Einige Inuit-Hunde im Norden Kanadas, einige Verbände in den Hackbauerkulturen in Nähe des Äquators, einige in Wolfsmanier organisierte Dingofamilien im Nordosten Australiens. Daraus aber eine Norm abzuleiten oder davon auszugehen, nur ein „strukturiertes Siebenerrudel“ sei perfekt, ist für mich nicht nachvollziehbar. Erneut steht die Frage unbeantwortet im Raum: Wo sind die Daten, wo sind Filmaufnahmen oder Fotomaterial von funktionalen siebenköpfigen Straßenhunderudeln? Die top-dokumentierten Arbeiten, die es gibt – z.B. von den sehr berühmten Moskauer Straßenhunden, oder von M. Bekoff, von T. Daniels, von R. Coppinger oder von W. Fielding, J. Mather und M. Isaacs – kommen alle zu der Schlussfolgerung, dass Hundegruppen-Größen signifikant variieren. Sämtlichen Freilandforschern unisono vorzuwerfen, sie hätten bislang nicht richtig hingeschaut, ist vorlaut, dreist, arrogant und wenig konstruktiv.

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© Günther Bloch (Kosmos Verlag)

klargestellt: Ist es richtig, dass man strukturierte Rudel deshalb nur selten beobachten kann, da diese aufgrund ihrer stellungsgerechten Struktur besonders wachsam sind und rechtzeitig verschwinden?

Bloch: Wie ich schon erwähnt habe, sind in Kanidengruppen unabhängig ihrer Größe stets mehrere Individuen anzutreffen, die liebend gerne als Wächter fungieren. Das wertet ein wenig ihren niedrigrangigen Sozialstatus auf, weil sie zum Vorteil aller Gruppenmitglieder einen aktiven Beitrag leisten. Für Wolfsfamilien ist das Absichern eines aktiven Höhlengebietes ein kollektives Bemühen. Da machen alle mit. Somit hat die Welpenfürsorge und Bewachung pauschal nichts mit fest fixierten Rudelstellungen gemein. Die schon benannte Haupt-Pizzahunde-Gruppe bestand mit Beobachtungsbeginn im Mai 2005 aus insgesamt 14 Mitgliedern, die wie von uns filmisch und fotografisch belegbar festgehalten, ein hervorragend funktionierendes Gefahrenerkennungs- und Abwehrsystem entwickelt hatte, vor allem gegenüber Wildschweinen.

Natürlich kann man theoretisch rechtzeitig verschwinden, wenn man besonders wachsam ist. Nur tun das Wölfe in der Praxis eher selten. Besonders nicht in Höhlengebieten. Mit Ausnahme bei Annäherung von Menschen. Wenn sich dort jedoch ein Schwarzbär, Grizzly oder Puma als potentieller Feind der Welpen blicken lässt oder die Kleinen womöglich versucht zu bedrohen, verschwindet kein Wolf. Dann ist der Teufel los. Da lernt man dann als stiller Beobachter sehr schnell und ganz praktisch, wie kollektive Gruppenverteidigung wirklich funktioniert. Und zwar live. Anstatt über das Absicherungs-, Gefahrenabwehr- und Fluchtverhalten von in freier Wildbahn ansässigen Wolfsfamilien und deren „Rudelstruktur“ theoretisch herumzuphilosophieren und uns Freilandforscher quasi als „blinde Besserwisser“ darzustellen, sollte sich Frau Ertel vielleicht einmal etwas ausgiebiger mit Fachliteratur aus der Freilandforschung beschäftigen. Just by the way: Statistisch gesehen beträgt der durchschnittliche Rudelumfang sechs Mitglieder, nicht sieben.

klargestellt: Im Gegensatz zu „strukturierten Rudeln“ beobachtet man gemäß Ertel eher lose Verbände. Laut Rudelstellungslehre sind Hunde in solchen Verbänden ausschließlich „Bindehunde“, die sich „asozial“ verhalten und ständig um ihre Rudelposition kämpfen. Haben Sie dies beobachten können?

Bloch: Nein, tut mir leid. Auch das konnten wir nicht beobachten. Weder bei den Pizza-Hunden noch anderen Straßenhundegruppen. Weder in Polen oder der Slowakei, noch in Spanien oder Portugal. Ernstkämpfe kamen mit Ausnahme der Paarungszeit so gut wie nie vor. Bei Auseinandersetzungen um Nahrungsressourcen haben wir unter den verwilderten Haushunden in der Toskana allenfalls kleinere Scharmützel gesehen. Ansonsten ein erstaunlich hoch entwickeltes Konfliktmanagement mit viel in Hundemanier vorgetragener aggressiver Kommunikation, die so facettenreich nur in gut strukturierten Gruppen zum Ausdruck kommen kann. Ansonsten hier und da einige knallharte Auseinandersetzungen um Paarungsrechte. Die kann man aus verhaltensbiologischer Sicht schlecht als „asozial“ bezeichnen. Soviel zum Hund.

Wobei wir wieder einmal bei dieser fürchterlichen Gleichmacherei mit dem Wolf gelandet wären. Frau Ertel sollte eigentlich wissen, dass es unter frei lebenden Wölfen selbst während der Hochranz extrem selten zu irgendwelchen Rudelpositionskämpfen kommt. Deshalb wandert der gesamte geschlechtsreife Nachwuchs ja schließlich ab. Der Versuch zur Gründung eigener Familien steht für die meisten Wolfsindividuen im Vordergrund. Soziale Bindung im angestammten „Familienrudel“: ade. Eltern-Nachwuchs-Bindung: ade. Gruppen-Bindung: ade. Habitatbindung an das elterliche Streifgebiet: ade. Auf welche Bindungsform sich Frau Ertel bei ihrer Pauschalaussage bezieht, ist mir schleierhaft.

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© Günther Bloch (Kosmos Verlag)

klargestellt: Herrscht in „nicht strukturierten Rudeln“ tatsächlich ständig Unruhe und Stress? Falls dies so ist, warum bleiben solche losen Verbände dann zusammen, statt strukturierte Rudel zu bilden?

Bloch: Sehr gute Frage. Besonders unter Freilandbedingungen, wo jedes Gruppenmitglied Vor- und Nachteiles des Zusammenlebens abwägen und ggf. die Familie verlassen kann. Wieder so ein „Pseudo-Problem“. Anhand unserer Untersuchungsergebnisse ist spielend leicht zu belegen, dass sozial gestresste Niedrigrangige durchschnittlich im Alter von etwas über einem Jahr abwandern. Deshalb gibt es im Gegensatz zur Gehegevergesellschaftung in freier Wildbahn langfristig keine „Prügelknaben“ bzw. „Omegawölfe“. Steht alles in meinem Buch „Auge in Auge mit dem Wolf“. An dieser Stelle darf ich dann auch mal ein wenig Werbung machen.

Laut Frau Ertel sind Wolfsfamilien, die sich irgendwo auf unserem Planeten Erde beobachten lassen, allesamt „nicht strukturierte Rudel“. Ihre Begründung: beobachtbare Wölfe sind total degeneriert. Was lernen wir daraus? Aha: Lebensraumprägung, Flexibilität, Anpassungsfähigkeit ist also nichts anders als Degeneration. Diese Logik erschließt sich freilich nur Frau Ertel. Konstruktive Frage mit Bitte um präzise Antwort: Schon mal den als allgemeingültig anerkannten Begriff „Kulturfolger“ gehört? Wölfe sind vielerorts zu cleveren Kulturfolger des Menschen avanciert. Und was ist mit der Domestikationsgeschichte vom Wolf zum Hund? Alles nur Degeneration?

Unruhe und Stress kommt in den besten Familien vor. Zumindest zeitweise. Sozialen Stress pauschal mit Gruppengrößen oder „nicht strukturierten Rudeln“ gleichzusetzen ist fachlich falsch. Sind momentane Konfliktsituationen und deren Bewältigung gleichzusetzen mit ständigem Stress? Wo ist die sachliche Unterscheidung zwischen situativem und chronischem Stress? Ersterer bringt Individuen in Hab-Acht-Alarmstellung, was gleichermaßen als notwendig und positiv zu bewerten ist.

klargestellt: Einzelhunde unter den Straßenhunden werden als „Eckhunde“ bezeichnet. Haben Sie eine Erklärung dafür, dass diese Hunde lieber alleine bleiben, als in einem losen Verband für Struktur zu sorgen?

Bloch: Einfache Antwort: Nö.

klargestellt: Auf dem Foto des Wildbiologen und Filmemachers Chadden Hunter (s.u.), dessen Frau Ertel sich bis vor kurzem bediente, sieht man 25 Wölfe wie an einer Perlenschnur aufgereiht hintereinander her laufen (die Verwendung des Materials wurde ihr inzwischen untersagt). Frau Ertel erklärt dies mit der festgelegten Stellung, eines jeden Wolfes. Streben Wölfe grundsätzlich nach dieser Anordnung? Wenn ja, tun sie dies immer in derselben, stellungskonformen Reihenfolge oder hat dies andere Gründe?

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© Chadden Hunter (http://www.chaddenhunter.blogspot.de)

Bloch: Sich mit fremden Federn zu schmücken finde ich schon ein starkes Stück. Das spricht doch Bände hinsichtlich Respekt und Seriosität. Zum Thema „starr vorgegebene Anordnung“: Ob D. Smith in Yellowstone, D. Mech auf Ellesmere Island, R. Peterson auf Isle Royale oder wir im Banff National Park – wir alle haben das Führungsverhalten von Wölfen seit mehreren Dekaden ausführlich dokumentiert.In der Wildbiologie spricht man von Zentralpositionsführung oder „non-frontal-leadership“. Es gibt keine stellungskonformen Reihenfolgen, und kein Wolf strebt grundsätzlich nach einer bestimmten Anordnung. Es läuft auch kein „Alphawolf“ ständig vorneweg. Mein Gott, das sind doch alles Ansichten aus der Steinzeit, qualitativ wie quantitativ anhand umfangreicher Datenbanken aus etlichen Studien zur Freude vieler Hundehalter längst widerlegt. Die Leitung, Führung und das Dirigieren von Wolfsfamilien ist eine hoch komplexe Angelegenheit. Sie wechselt ständig und aus unterschiedlichen Gründen – Näheres u.a. unter www.hundefarm-eifel.de („English publications“ klicken).

klargestellt: Kann man anhand eines solchen Fotos erkennen, dass die Tiere „in Verteidigungsstellung unterwegs“ sind?

Bloch: Nein, das kann man natürlich nicht. Fotos sind nichts anderes als simple Momentaufnahmen. Bei dem von C. Hunter im offenen Gelände aufgenommenen Bild müsste man die Gefahrenquelle doch sehen, die eine Verteidigungsstellung auslöst! Ganz abgesehen davon gibt es überhaupt keine vorgegebene Stellungsformation. Gefahrensituationen sind individuell. Gefahrenerkennung und Abwehr sind individuell. Feindbedrohung ist individuell. Verteidigungsverhalten ist individuell. Brenzlige Lebenslagen ergeben sich völlig spontan, wozu soll man also ständig in „Verteidigungsstellung“ unterwegs sein. Hinzu kommt, dass Wolfsfamilien insbesondere während der Aufzuchtphase der Welpen im Sommer so gut wie nie als Gesamtverbund unterwegs sind.

klargestellt: Das Rudelstellungskonstrukt fußt zu einem erheblichen Teil auf Absicherung. Da wird nach allen Seiten gesichert, es ist ständig von möglichen Angriffen ist die Rede. All das erweckt den Anschein, als befänden sich Wolfsfamilien ständig auf dem Kriegspfad gegeneinander und wären außerdem stetig auf der Hut vor eventuellen sonstigen Angreifern. Wie wichtig ist Sicherung gegen Angriffe bei Wolfsrudeln? Wogegen muss sich ein Wolfsrudel verteidigen?

Bloch: Natürlich kommen auf Wölfe je nach Lebensraum durchaus prekäre Problemlösungs-situationen zu, vor allem in Gebieten mit starker Bejagung seitens des Menschen. Richtig ist auch, dass die Haupt-Todesursache in dicht besiedelten Wolfsregionen andere Wölfe sind. Insofern muss man grundsätzlich schon auf der Hut sein. Hier bei uns auch vor Bären, Pumas oder dem Vielfraß. Insgesamt machen das erfahrene Leittiere mit dem für sie so typischen Weitblick und viel Gelassenheit. Wölfe sind weder Psychopaten noch Neurotiker. Sie sind hervorragende Kenner ihres angestammten Streifgebietes, ausgestattet mit herausragenden Sinnesleistungen. Infolgedessen lässt sich eine Wolfsfamilie nicht so leicht überrumpeln und es bleibt im normalen Alltag genügend Zeit für die Nahrungssuche, das Kommunizieren untereinander, das Interagieren und für ausgelassenes Spiel, das bekanntlich nur in lockerer sozialer und räumlicher Atmosphäre stattfinden kann.

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© Günther Bloch (Kosmos Verlag)

klargestellt: Ist es richtig, dass ein bestimmter Wolf in einem Rudel die Aufgabe hat, den Verband nach hinten abzuschließen und sich in Notfällen bei Angriffen zu opfern? Haben Sie bei Wölfen, den Pizza- oder Straßenhunden solche Opfer beobachten können?

Bloch: Nein, diese Aussage ist bestenfalls als extrem naiv zu bezeichnen. So etwas konnten wir bislang während mehrerer zehntausend Beobachtungsstunden nicht ein einziges Mal dokumentieren. Zudem ist ein solch theoretisch erdachtes „Horror-Szenario“ absolut unlogisch. Welches Säugetier soll denn in der Lage sein, ein komplettes Wolfsrudel von hinten anzugreifen? Und wozu? Und kein einziges Wolfsindividuum (obwohl ausgestattet mit mehreren hundert Millionen Geruchsrezeptoren) soll von dem ganzen Spuk etwas mitbekommen haben? Wenn das tatsächlich so einfach wäre, würden in bestimmten Kreisen der Jägerschaft und unter Wolfshassern wahre Jubelstürme ausbrechen. Kein Wolf der Welt wird sich in Gefahrensituationen opfern.

Bei den verwilderten Haushundegruppen in Italien kam es gelegentlich vor, dass eine Wildschweinhorde versuchte, die Hunde an einer Futterstelle zu attackieren. Solcherart Versuche waren aber kein einziges Mal von Erfolg gekrönt, weil die Hunde im Kollektiv laut bellend und sich gegenseitig warnend bereits den geordneten Rückzug angetreten hatten, bevor die Wildschweine dort ankamen. Ergo brauchte sich auch an der Hundefront keiner zu „opfern“.

klargestellt: Ist es richtig, dass Wölfe nicht spielen, sondern nur damit befasst sind, zu arbeiten, indem sie das Rudel sichern, Nahrung beschaffen und die Rudelordnung aufrecht erhalten?

Bloch: Nein, nein und nochmals nein. Selbstverständlich spielen Wölfe. In Rituale gekleidete gemeinsame Spielaktionen sind ein wichtiger Bestandteil des wölfischen Interaktions- und Lernverhaltens. Spielrituale dienen u. a. dem kommunikativen Verständnis, dem nachhaltigen Kennenlernen der Regeln zum „Fair Play“. Spiel stärkt zudem die Gruppenzugehörgkeit. Wolfseltern spielen miteinander als Ausdruck ihrer engen Paarbindung und mit dem Nachwuchs, um Gruppenharmonie herzustellen. Jungwölfe spielen aufgrund ihres Alters logischerweise am häufigsten. Spieltypisch sind u.a. eine starke Vermischung einzelner Verhaltenssequenzen aus unterschiedlichen Funktionskreisen, Rollenwechsel und übertrieben dargebotene und körpersprachlich-betonte Bewegungsabläufe.

Was die „Arbeit zur Aufrechterhaltung der Rudelordnung“ betrifft: Gestandene Wolfseltern glänzen durch Charisma, leben einen durchdachten Lebensplan vor und sind für jedes Gruppenmitglied klar und eindeutig an ihrem selbstbewussten Auftreten zu erkennen, einschließlich ihrem zielorientierten Markierverhalten. Leittiere haben es nicht nötig, sich ständig mit Rudelordnungsfragen zu befassen. Sie sind der Motor einer Wolfsfamilie. Auf sie ist Verlass. Warum soll man solche Idolfiguren ständig herausfordern? Das wäre ziemlich töricht, und das sind Wölfe ganz gewiss nicht. Die Beispiele von Frau Ertel erinnern doch sehr stark an Beschreibungen aus der Gehegehaltung, wo kein Gruppenmitglied abwandern kann.

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© Günther Bloch (Kosmos Verlag)

klargestellt: Haben Sie beobachtet, dass ein bestimmter Wolfswelpe sich versteckt bzw. von der Mutter versteckt wird, da er sonst als potentieller Konkurrent vom aktiven Leitwolf getötet würde?

Bloch: Wie bitte? Ein Leitwolf tötet einen seiner eigenen Welpen? Und die Mutter schaut kommentarlos zu? Der „aktive“ Leitwolf ist hier wohl gleichbedeutend mit dem alten Macho-Alpha-Bild. Eine Wolfsmutter versteckt einen bestimmten Welpen, damit ihr Lebenspartner ihn nicht umbringen kann. Wow. Dass diese abstruse Fantasiewelt nichts mit der Realität zu tun hat, sollte eigentlich jedem klar sein. Wolfsväter töten ihre Welpen und erkennen in einem bestimmten Welpen einen potentiellen Konkurrenten? Eine unglaubliche Geschichte, die man ausgerechnet von einer „Wolfsexpertin“ wohl am wenigsten erwarten sollte. So langsam wird´s nur noch peinlich.

klargestellt: Nach der Rudelstellungslehre „repariert“ eine stellungsstarke Wölfin ihren Wurf, wenn er rudelstellungsgemäß „inakzeptabel“ ist, durch das Töten einzelner Welpen oder auch ihres ganzen Wurfs. Haben Sie solch ein Verhalten beobachtet?

Bloch: Da Wolfswelpen die ersten zirka drei Wochen so gut wie ausnahmslos mit ihrer Mutter in einem Erdbau verbringen, kann ich keine Auskunft geben, was dort passiert oder auch nicht. Dass Wolfs- und Hundemütter gelegentlich einzelne immunschwache bzw. kaum überlebensfähige Welpen töten, ist hinlänglich bekannt. Dass es sich hier um „rudelstellungsgemäß inakzeptable“ Individuen handelt, ist eine durch nichts bewiesene These. In 24 Jahren Freilandforschung bin ich bis zum heutigen Tag noch keiner Wolfsmutter begegnet, die ihren kompletten Welpenwurf getötet hätte. Bislang kamen bei allen Wolfsfamilien jedes Jahr um Mitte April herum einige Welpen aus dem Bau. Ganz nebenbei am allerhäufigsten sechs! Das wissen wir ganz genau durch viele direkte Beobachtungen und in den letzten Jahren zusätzlich durch massenweise Bildaufnahmen von Foto-Fallen.

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© Günther Bloch (Kosmos Verlag)

klargestellt: Haben Sie beobachtet, dass sich innerhalb einer Wolfsfamilie Tiere gleichen Ranges und gleichen Charakters oft meiden und bekämpfen, um einen „Mehrfachbesatz“ der Rudelstellung zu verhindern?

Bloch: Ungeklärte Rangpositionen mit mehr oder weniger Klärungsbedarf, der in situativen Konflikten zum Ausdruck kommt und im Rahmen eines kanidentypischen Managements einschließlich des Einsatzes von Abbruchsignalen kommuniziert wird, entspricht kanidentypischem Verhalten. Das ist doch wohl nichts Neues. Es gibt kein Gruppenleben ohne jegliches Konfliktpotential oder momentane Konkurrenzsituationen. Nirgendwo auf der Welt. Unter Wölfen, die genau aus diesem Grund im Verlaufe von Jahrhunderttausenden ein ausgefeiltes und funktionales Ausdrucksverhaltenssystem entwickelt haben, schon gleich gar nicht. Es wird gebrummt, es wird gedroht, es wird getrickst. Dazu gehört auch, dass sich zwei Kontrahenten/-innen eine Zeit lang aus dem Weg gehen. Na und? Wenig später wird sich wieder vertragen, wird wieder an einem Strang gezogen, ein gemeinsames Ziel verfolgt, kooperiert und eng zusammengearbeitet. Das ist wölfisch.

klargestellt: Zu Forschungszwecken im Sinne der Rudelstellungslehre werden derzeit fünf aus Italien importierte und als zusammenpassend eingestufte Hunde auf einem 350 qm² großen Grundstück gehalten. Dieses „strukturierte Teilrudel“ wird weitgehend sich selbst überlassen. Ist dies eine artgerechte Haltung?

Bloch: Warum hat man denn nicht gleich sieben „passende“ Hunde aus Italien importiert, um dem staunenden Publikum das „perfekt-strukturierte Rudel“ vorführen zu können. Verstehe ich nicht. Die magische Zahl war doch sieben!? Was will man denn mit einem „strukturierten Teilrudel“?

Der Begriff „Artgerechtigkeit“ wird in der Hundeszene meines Erachtens ständig überstrapaziert. Ich will die Frage mal so beantworten: Artgerecht für den Hund ist, eng mit dem Menschen zusammenzuleben. Das unterscheidet ihn vom Wolf. Das predige ich seit Jahrzehnten. Was heißt „weitgehend sich selbst überlassen“? Sollten diese Hunde nur in diesem 350 qm2 großen Pferch leben, ohne regelmäßigen Menschenkontakt bzw. einem normalen Hundeleben an der Seite des Menschen, hielte ich das Ganze für tierschutzrelevant, weil es einer dauerhaften Zwingerhaltung gleichkäme. Aus sozio-emotionaler Sicht will ich gar nicht anzufangen zu argumentieren. Sollte es sich um ein „wissenschaftliches“ Experiment handeln, wüsste ich gerne ganz genau wer, wo, was, wann und warum in welchem ethologischen Rahmen und nach welcher einheitlich definierten Untersuchungsmethodik erarbeitet?

klargestellt: Wie wirken sich solche Lebensumstände auf das Sozialverhalten der Tiere aus?

Bloch: Alles ist möglich. Um diesbezüglich ernsthafte Überlegungen anzustellen, fehlen mir jede Menge Informationen. So ist eine Prognose schwierig. Kennen sich die Hunde oder nicht? Gibt es unter ihnen irgendwelche Bindungs- und Dominanzbeziehungen? Kommen sie ursprünglich von der Strasse und wo wurden sie geboren?

klargestellt: Frau Ertel erklärt Hundehaltern, sie müssen eine bestimmte „Rudelposition“ einnehmen. Ist der Mensch in der Lage, sich für Hunde glaubwürdig sozusagen als Ersatzhund zu etablieren?

Bloch: Im richtig verstandenen Sinne: Ja. Hundehalter sollten zumindest versuchen, sich so gut es geht zu „verhundlichen“ bzw. sich in ihren Hund hineinzuversetzen, und Offenheit zeigen, ihn besser verstehen zu wollen. Menschen müssen die Andersartigkeit des Hundes akzeptieren lernen, wenn sie gute Lehrmeister sein wollen. Selbstverständlich sollte der Mensch seinen Führungsanspruch gelten machen. Summa summarum ist das Ganze eine Art Drahtseilakt: Einerseits sollte sich der Mensch des Öfteren mal zurücknehmen und den Hund Hund sein lassen. Sie müssen sich wie Hunde verhalten dürfen und nicht zum Popanz des Menschen verkommen. Auf der anderen Seite muss er einen klar verständlichen Rahmen vorgeben, ein Regelwerk, damit der Hund weiß, was erlaubt ist und was nicht. Insofern müssen ernsthafte Hundehalter sehr wohl eine bestimme Position einnehmen, nämlich als Gruppenleiter und Dirigent, als Ansprechpartner und Hilfesteller. Das erfordert viel Sozialkompetenz. Bedauerlicherweise kommen viele Menschen in unseren „modernen Zeiten“ kaum noch mit ihrem eigenen Leben klar. Aufgrund mangelnder Einschätzbarkeit und Berechenbarkeit sind viele Hundehalter bei ihren vierbeinigen Begleitern nicht sonderlich begehrt. Kein Wunder, bei dem ständigen Hin und Her, das heute im Umgang mit dem Hund an der Tagesordnung ist. Wenn das alles so gemeint ist, würde ich Frau Ertel zustimmen.

klargestellt: In einem der Videos spricht Frau Ertel von „Weitortung“ und erklärt, diese habe alleine der Vordere Leithund. Wurde bei Wolfs- oder Hunderudeln beobachtet, dass nur Leithunde über eine solche „Weitortung“ verfügen, während diese anderen Hunden fehlt?

Bloch: Auch hier ist ein Fünkchen Wahrheit dran. Wie in meinen Büchern und Publikationen nachzulesen ist, verfügen in erster Linie sowohl die Leittiere (Vater und Mutter, nicht der vordere Leitwolf), als durchaus auch mindestens zwei Jahre alte Erwachsene aufgrund ihrer Lebenserfahrung und Revierkenntnisse über die geniale Fähigkeit der frühzeitigen Gefahrenerkennung. Dazu bedarf es in der Tat eines enormen Weitblicks, über den jugendliche Wolfsindividuen und Jährlinge in dieser Ausprägung (noch!) nicht verfügen. Sie bekommen ihn aber mit zunehmendem Alter. Hier haben wir wiederum einen wunderbaren Beweis für verhaltensökologisch erlernte Fähigkeiten. Jungtiere erlernen den Gefahren-erkennungsweitblick durch intensive Beobachtung der Alttiere, nicht aufgrund einer genetisch vererbten Veranlagung. Über den Weitblick, den sich auch Hundehalter zwecks überzeugender Gruppenführung aneignen sollten, referiere ich in meinen Seminaren seit langem, weil frühzeitige Gefahrenerkennung auf alle Gruppenmitglieder stressreduzierend wirkt und „plötzliche“ Gefahrenabwehr wesentlich seltener notwendig wird.

klargestellt: Gibt es nach dem Stand der heutigen Forschung Hinweise auf eine genetisch festgelegte und somit vererbbare Stellung innerhalb eines Sozialverbandes von Kaniden?

Bloch: Nein. Ich habe gute Kontakte zu Genetikern und viele meiner Freunde sind Zoologen, Ethologen oder Biologen. Keiner von ihnen ist von dieser These überzeugt, weil bislang weder die Stammesgeschichte von Kaniden noch deren Verhaltensbiologie irgendwelche Hinweise erbracht hat, die diese Behauptung auch nur ansatzweise glaubhaft macht. Wie Sie im Interview erfahren haben, liegen uns jede Menge handfeste Belege vor, die das Gegenteil beweisen. Wenngleich man sich um ein paar Prozent rauf oder runter trefflich streiten mag, gilt nach wie vor die alte Faustregel: etwa ein Drittel des Verhaltens ist genetisch vorbestimmt, zwei Drittel unterliegt umweltbedingten Anpassungsprozessen.

Damit hier zum Schluss kein Missverständnis entsteht: ich bin kein wissenschaftshöriger Mensch. Evolution kennt keinen Stillstand. Wie schrieb einst Mark Bekoff zu schön: Der Plural von Anekdoten ist Daten. Ich halte weiterhin die Ohren offen und bleibe definitiv wissensdurstig. Ich bin Kanidenforscher, nehme meine Passion sehr ernst und glaube fest daran, „richtig beobachten“ zu können, auch wenn ich garantiert hier und dort zu einer situativen Fehleinschätzung gelange. Nobody is perfect. Das gilt auch für Frau Ertel, gegen die ich nichts persönlich habe.

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© Günther Bloch (Kosmos Verlag)

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19 Gedanken zu „Interview mit Günther Bloch

  1. Josef Hellinger

    Beim Interview von Herrn Bloch kommt klar zum Vorschein, was eine Irrmeinung ist und nur auf das Geldverdienen abgezielt wird und wo der Praktiker und Profi wie Herr Wolf anfängt und arbeitet. Ich selber betreibe seit 35 Jahren Hundesport und bin seit 15 Jahren Trainer und Sachkundiger. Diese RS wie sie bei diesem Verein vermittelt wird ohne genaues Hintergrundwissen konnte ich noch nie feststellen. Schade, dass sich bekannte Fernsehsender für sowas hergeben ohne vorher wirkliche Profis zu fragen. Aber was noch schlimmer ist, dass sich viele Menschen dieser Irrmeinung anschließen.

    Mit vielen Grüßen
    Josef Hellinger

  2. Hendrik Boesch

    Moin

    als Wolfs- und Baerengucker und -knippser beobachte ich regelmaessig freilebende Woelfe in Alberta, Kanada und bin durch Guenther Bloch auf das Thema Rudelstellungen aufmerksam gemacht worden. Dank Internetarchiven kann man sich auch heute noch die ‚geloeschte‘ Seite zum Thema Wolf auf der Internetseite der Rudelstellungen anschauen.

    Wie Guenther Bloch in seinem Interview richtig sagt, ist ein Foto nur eine kurze Momentaufnahme von Bruchteilen einer Sekunde. Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte und kann dementsprechend vielfaeltig interpretiert werden. Daher koennte man sich die Muehe machen, sich objektiv mit den bunten Tabellen und Abkuerzungen und der abschliessenden Erklaerung von Frau Ertel zu dieser Aufnahme auseinandersetzen.

    Die wichtigste Aussage macht Frau Ertel jedoch erst am Ende ihrer Erklaerung zu der Aufnahme von Chadden Hunter, Zitat: „Da kein Nachwuchs dabei ist kann ich für mich ausschließen, dass es sich hier um einen Standortumzug eines kompletten Rudels handelt.“

    Besagte Aufnahme ist in dem Interview mit Guenther Bloch ebenfalls zu sehen.

    Dass Frau Ertel allen Ernstes an Hand der Aufnahme dieser gezeigten Wolfsfamilie ‚Rudelstellungen‘ erklaeren will, entlarvt recht schnell ihr fundiertes ‚Fachwissen‘ als gefaehrliches Halb- oder Nichtwissen.

    Wie kann man sich anmassen Menschen Wolfsverhalten mit einem Bild(!) zu ‚erklaeren‘, wenn man nicht mal in der Lage ist, Jungtiere auf eben diesem Bild zu erkennen, welche eindeutig zu sehen sind?

    Wenn bereits solch grundlegende Dinge nicht erkannt werden, wie soll dann aus der Aufnahme die ‚Rangstellung‘ individueller Tiere ersichtlich oder herleitbar sein? Wie soll man die Verfasserin der ‚Erklaerung‘ nach so einem statement auch nur ansatzweise Ernst nehmen? Im Fussball nennt man sowas ein klassisches Eigentor. Frau Ertel schafft das sogar per Fallrueckzieher unhaltbar aus 30m oben in den Winkel.

    Dieses ‚Wolfsverhalten‘ dann einfach auf vierbeinige Familienmitglieder uebertragen zu wollen, ist unserioes, nicht nachvollziehbar und daher nichts weiter als Fiktion, die vielleicht dem Konto von Frau Ertel hilft, mit Sicherheit aber nicht dem Verstaendnis von Wolfs- oder Hundeverhalten.

    Mit Gruessen aus dem wilden Westen
    Hendrik Boesch

  3. marcolino

    Hallo Hendrik,
    vielen Dank für deine interessanten Ausführungen. die Jungtiere sind natürlich ein weiterer Aspekt der verdeutlicht, wie sehr das Sehen-Wollen die Wahrnehmung des Menschen beeinflusst.. Leider befürchte ich, dass auch für dieser Aspekt von denjenigen, „die Sehen wollen“, eine „plausible Erklärung“ gefunden wird.
    Ein lieber Gruß in den wilden Westen von
    Moni

  4. Solveig Straehle

    Was das obige Schneebild betrifft, laufen doch auch Hunde im Tiefschnee gerne hintereinander in Formation, einfach deshalb, weil es bequemer ist. Da Wölfe mit ihren Kraftreserven gerade im Winter sparsam umgehen müssen, ist ein solches Foto eher nichts ungewöhnliches.

  5. Jacky

    Nicht nur im Schnee oft auch im hohen Gras.
    Egal ob ich oder einer der Hunde vorgeht der Rest geht den platt getrampelten Weg hinterher wie an einer Schnurr.
    Das gibts auch nicht nur bei Caniden.
    Viele Tiere und der Mensch gehen den Weg des geringsten Wiederstandes im Schnee, wiese ectr.
    Alles andere wäre unlogisch

  6. Hendrik Boesch

    Moin

    das ist zu befuerchten. Aber das ist ja eben das Schoene an Fotos, man kann reininterpretieren was man will, man muss es nur glaubwuerdig verkaufen koennen.

    Wenn diese Menschen nur das Wohl ihrer Hunde so verteidigen wuerden, wie sie diese Ideologie verteidigen, waere man schon einen kleinen Schritt weiter. Nach der Lektuere des Wolfmaerchens habe ich fasziniert/geschockt gelesen, was da eigentlich hinter diesem ganzen Thema steckt, ‚Beurteilungen‘ von Wuerfen, Tausch von Familienmitgliedern wie Sachgegenstaende, da wurde mir richtig schlecht.

    Da kann man in jeder Wolfsfamilie, ob man sie ’strukturiert‘ ansieht oder nicht, weitaus mehr Mitgefuehl gegenueber Familienmitgliedern beobachten und auch wiederholt dokumentieren. Ganz ohne genetisches Geheimfachwissen aus dem Gartenbaumarkt.

    Bleibt zu hoffen, dass Informationsangebote wie dieser blog angenommen werden, um weitere traumatisierte Familienmitglieder, die ohne fuer sie ersichtlichen Grund aus ihrem gewohnten sozialem Umfeld gerissen werden, zu vermeiden.

    Gruss zurueck
    Hendrik Boesch

  7. Sandra Beck

    Ich kann mich noch erinnern, vor ca. 3 Jahren ein Seminar mit G. Bloch und H. Ganslosser im Rahmen der Happy Dog Tour besucht zu haben, in dem es im Wesentlichen darum ging, auf Kopfhunde, A-Typ-Hunde, B-Typ-Hunde und die sog. Seelchen zu verweisen. H. Ganslosser berichtete außerdem davon, mittels spezieller Genanalyse (?) den Typ eines Hundes (also A-Typ oder B-Typ) bestimmen zu können. Es wurde recht anschaulich auf Fotos (oder war es eine Filmsequenz ?) verwiesen, welche 4 Jungwölfe im Alter von ca. 4 – 5 Monaten zeigte. Anhand dieses Bildmaterials konnte H. Bloch genau sagen, welches der Kopfhund (also Leithund) der Gruppe sei, welches das „soziale Mittelfeld“ und welches das „Seelchen“. Das erschien mir sehr plausibel, zumal sich der Kopfhund bereits im Alter von wenigen Monaten sehr souverän, entschlossen und umsichtig verhielt, während das „soziale Mittelfeld“ (laut RS Bindehunde) recht rüpelhafte Spiele miteinander austrugen. Das „Seelchen“ dagegen ward fast gar nicht gesehen, ein verhuschtes Etwas, ins Gebüsch gedrückt, mit sichtlich devoter Körperhaltung.
    Ein anderes G. Bloch Seminar (wovon man Ausschnitte lange Zeit in Youtube ansehen konnte) beschäftigte sich mit der unterschiedlichen Erziehung der verschiedenen Hundetypen, z. B. dass man mit „Kopfhunden“ anders umgehen muss als mit „Seelchen“.
    Auch etliche Fachzeitschriften und Online-Publikationen dieser Zeit widmeten sich diesem Thema. Seltsamerweise ist diese Thematik nahezu komplett verschwunden. Wie kann das sein? Hat das ehemals gesagte nun keine Gültigkeit mehr, weil sich eine (rudimentäre) Ähnlichkeit zu RS nicht verleugnen lässt?

    Als langjährige Züchterin kann ich bestätigen, dass sich bestimmte Verhaltensweisen, die schon im Welpenalter sichtbar sind, im Laufe eines Hundelebens nicht mehr ändern. Aus einem „Draufgänger“ wird kein „Seelchen“ und aus einem „Sensibelchen“ kein „Haudegen“, da kann sich ein Hundehalter noch so anstrengen. Natürlich hat auch das Umfeld, die Haltungebedingungen und auch die jeweilige Erziehung einen großen Einfluss auf den letztlichen Phänotyp eines Hundes. Es hat einen großen Einfluss auf die natürlichen Anlagen des Hundes; so kann ein Draufgänger durch entsprechende Erziehung und Führung ein angenehmer Begleiter werden, der seine natürlich angelegten Triebe wohl dosiert einsetzt. Bei entsprechend negativer Aufzucht ohne Begrenzung seiner Menschen, könnte ein solcher Hund dagegen schnell zum Problemfall werden, mit dem die Menschen hoffnungslos überfordert sind.
    Darum ist es meine Aufgabe als Züchterin, den jeweils passenden Charaktertyp für die entsprechenden neuen „Hundeeltern“ auszusuchen. Und natürlich werde ich immer auch meine Begründung offen darlegen.

    Wie soll ich nun also die Behauptung verstehen, dass wesentliche Charaktermerkmale kein starres Gebilde seien, sondern flexibel und sich den jeweiligen Bedingungen anpassen? Mein „Draufgänger“ war schon in der Welpenkiste ein „hochrangiges“ Tier und blieb es Zeit seines Lebens, während mein „Sensibelchen“ eindeutig ein niedrig rangiges Tier ist und auch blieb. Da konnte ich nie eine Veränderung bemerken. Die deutlichen Typunterschiede zeigten sich vor allem auch in meinen Welpenspielgruppen, die ich seit vielen Jahre leite. Hier sehe ich vor allem drei Hauptgruppen, mit ihren jeweiligen (aber vernachlässigbaren) Abstufungen:
    1.) Die Draufgänger, die sehr körperlich und oftmals sehr lautstark miteinander agieren.
    2.) Die Vorsichtigen, die gerne erst einmal alles vorsichtig anschauen und am liebsten am Rockzipfel ihrer Menschen kleben. Sie brauchen einige Zeit um aufzutauen, und werden nie so forsch wie ihre „Draufgänger“-Kollegen.
    3.) Die Kopfhunde/Leithunde, die stur und souverän ihr eigenes Ding durchziehen, oftmals alleine unterwegs sind und sich alles ganz genau ansehen, um sich dann scheinbar gelangweilt und eher distanziert irgendwo hinzulegen um das Geschehen in Ruhe zu beobachten. Im Gegensatz zu den „Vorsichtigen“ ist diese Gruppe aber nicht vorsichtig, sondern erscheint sehr würdevoll und erhaben. Kleine Erwachsene in Welpengestalt könnte man sagen. Sie scheinen schon als Welpen sehr weise…

    Ich kann mir so gar nicht vorstellen, dass mein „Sensibelchen“ in einem Rudel jemals die Aufgabe eines Leithundes übernehmen könnte. Auch nicht als erwachsenes Tier mit 5 Jahren. In meinem Rudel (Familienverband) war sie zwar die Älteste aber ihre Tochter war schon bald ranghöher als ihre Mutter, ebenso meine 4 anderen Hunde. In einem Wolfsrudel mag das vielleicht so sein, dass die Eltern gleichzeitig auch die Leittiere sind, aber definitiv in meinem Haushunderudel ist das nicht der Fall. Meine heutige Leithündin (ranghöchstes Tier) war schon als Welpe als solche auszumachen. Sie verhielt sich anders als die Geschwister, war sehr würdevoll und wirkte immer etwas unnahbar. Von sich aus hat sie sich niemals angebiedert, darum blieb sie auch übrig.
    Und ja, diese Leithündin hat sich auch sofort nach der Geburt „versteckt“ wie Frau Ertel das beschreibt. Sie kam jeweils nur zum Trinken aus ihrem „Versteck“ (unter der Rute und den Hosen der Mutterhündin). Insgesamt versteckte sie sich 2 Wochen, bevor sie sich unter die anderen Welpen mischte.
    Bereits mit 4 Monaten hat sie unseren Rüden von seiner Vormachtsstellung „vertrieben“ und führt nun souverän das Rudel an.

  8. Ungerudelt

    Das, was im obigen Beitrag beschrieben ist, hat für mich nichts mit 7 geburtlich festgelegten Rudelstellungen zu tun, sondern mit der Tatsache, dass Grundcharaktere zwar genetisch feststellbar und nachweisbar sind, wie zB. die unterschiedlichen Reaktionstypen, aber es sagt noch lange nichts darüber aus, dass ein Individuum sein Leben lang nur eine einzige von angeblichen 7 Positionen besetzen wird.
    Dass sich eine sich ergebende Struktur in einem Hausrudel stabilisiert ist in meinen Augen logisch.
    Ist das ein Beweis dafür, dass jedes einzelne Individuum dieser Gruppe sein ganzes Leben lang unter anderen Lebensbedingungen, in anderen Gruppen , genetisch bedingt, eine identische Rolle besetzen wird, wage ich sehr zu bezweifeln.
    Was die angeblichen 7 Aufgabenbereiche betrifft, finde ich das Interview von Herrn Bloch sehr aufschlussreich.
    Und ein wenig Infos, wie Vererbung funktioniert auch:
    http://www.abcdev.de/artikel/Grundkurs_Genetik.html

  9. jcl

    Nach Beobachtungen der Verhaltensbiologie ist der Charakter eines Caniden im Schnitt zu etwa 30% genetisch geprägt. 70% Einfluss hat die Umwelt, also die Art, wie und wo das Tier aufwächst. Es gibt also durchaus eine schwache genetische Disposition zum „Draufgänger“ oder „Sensibelchen“. Das ist bei Menschen nicht anders.

    Mit „vererbten Rudelstellungen“ hat das nichts zu tun. Bei Wölfen wandern auch „Sensibelchen“ ab, gründen eine Familie und werden Leitwolf – sensibel oder nicht. Hundegruppen haben keine Familienstruktur, so dass souveräne Hunde sich natürlich eher in der Gruppe durchsetzen als sensible. Hier kann also auch genetische Disposition eine Rolle spielen. Ob aber ein Hund als Welpe versteckt oder nicht, hat damit herzlich wenig zu tun. Die Behauptung, „Leithunde“ würden bestimmte Welpen aus Konkurrenzgründen töten, ist frei erfunden – niemand hat so etwas je beobachtet.

  10. Marcolino

    Die reinen Beobachtungen an freilebenden Wölfen geben einen deutlichen Hinweis auf die vielfältigen Möglichkeiten zur Bildung von Sozialgefügen. Mein Buchtipp hierzu: Timberwolf Yukon & Co von Günther & Karin Bloch.

    Wer sich mal mit der Problematik der Typisierungen eingehender befassen will, sollte mal Aldingtons „von der Seele des Hundes“ lesen …

  11. hansgeorg

    Hey

    Es ist grundlegend falsch und/oder fatalistisch, Lebewesen in ein genetisch determiniertes Kästchen stecken zu wollen. Diese Versuche der Kategorisierung sind alle mehr oder weniger gescheitert und widerlegt, siehe z. B. eines der bekanntesten obsoleten Modelle nach der Temperamentslehre der Phlegmatiker, der Sanguiniker, der Choleriker und der Melancholiker. Nur ist diese Erkenntnis bei den wenigsten angekommen.

    Es macht auch wenig Sinn, Lebewesen in Genetik- und Umweltanteile in Prozenten ausdrücken zu wollen, denn das sind rein statische Werte und sollten auch so gesehen und interpretiert werden.
    Deshalb macht es für die Wissenschaft keinen Sinn, denn inzwischen überwundenen Graben über die Diskussion „nature vs. nurture“ ohne Not wieder aufzureisen zu wollen.

    Jedes Lebewesen wird mit einem Temperament geboren, das aber auch schon pränatal (vorgeburtlich) bestimmten Einflüssen unterliegt. Alleine das macht es schon sehr schwierig bis unmöglich hier Genetische- und/oder Umwelteinflüsse genau bestimmen zu wollen.
    Zahlreiche wissenschaftliche Experimente konnten das eindrücklich unter Beweisstellen.

    Deshalb ist Vorsicht geboten beobachtbares Verhalten des Phänotyps eindeutig genetischen Grundlagen zuzuschreiben, in dem man behauptet, dieses gezeigte Verhalten sei genetisch determiniert, d. h. schlicht und ergreifend, wir wissen es nicht.

    Denn es gilt Genotyp + Umwelt = Phänotyp.

    Mit anderen Worten, der Charakter/Persönlichkeit eines Lebewesens muss sich entwickeln.

    Was man heute ganz gut weiß, ist, dass sich der komplexe Charakter die Persönlichkeit, zwischen „neugierig vorwitzigem“ und zurückhaltend gehemmtem Verhalten erst entwickeln muss, dazwischen sind alle anderen denkbaren Kombinationen angesiedelt.

    Oder anders ausgedrückt den geborenen Führer und/oder Verlierer gibt es so nicht.

    Ein Theoretiker ist ein Mensch, der praktisch nur denkt (W. Mitsch).

  12. Günther Bloch

    Liebe Sandra Beck,
    schön, dass es noch Menschen gibt, die sich trauen ihren Namen zu nennen und somit offen zu argumentieren. Was damals und auch heuzutage in meinen Seminaren vermittelt wird hat nach wie vor Bestand. Zum Thema „Dreiklassengesellschaft“ bei Hunden ist lt. Udo Ganslosser eine Doktorarbeit in Vorbereitung. Zum Thema Wolf mussten wir erst einmal über 5 Jahre Daten sammeln, so dass themenrelevante Ergebnisse erst nächstes Jahr veröffentlicht werden können. Zum Thema „bold & shy model“ ( A/B-Typ) wird in der Wildbiologie vieles publiziert, in Bezug auf verschiedene Tierarten, zuletzt sehr ausführlich über wagemutige-, respektive scheue Kitfüchse. Phänotypen kann man jedoch nicht nur aus rein genetischen Grundlagen ableiten. Das ist der Punkt!

    Genau das wird aber doch in der „RS“-Lehre fälschlicherweise gemacht. Deshalb habe ich schon vor Jahren in meinen Seminaren immer und immer wieder daraufhin hingewiesen, dass die grobe Einteilung von Charaktertypen (Durchsetzungswilligkeit, Geselligkeit, Scheuheit etc.) erst nach wochenlanger genauer Welpenbeobachtung und deren intensivem, nuanciertem und nach und nach in Rituale gekleidetem Interaktionsgeschehen im Alter von zirka zehn Lebenswochen möglich ist. NICHT von Geburt an feststehen. Daran werden Sie sich doch sicherlich erinnern, oder?

    Dass „RS“ aus meinen Überlegungen eine Bestätigung für genetisch-vorbestimmte, starr-fixierte 7 Rudelstellungen herleitet und jegliches Wolfsverhalten so interpretiert wie es in die „RS“-Lehre passt, ist schlimm genug.
    Im Übrigen mahnen doch sämtliche „RS“-Vertreter stets „praktisches Erleben“ an!
    Was ich über Wolfsverhalten berichte und durch Filmsequenzen zu untermauern versuche, kommt aus der PRAXIS. Direkt aus der Praxis. Wo sind denn die Beispiele des „praktischten Erlebens“ zur Wolfsverhaltensanalyse von so genannten „Rudlern“?
    Ich kenne kein einziges. Deshalb engagiere ich mich hier auf rudelstellungen-klargestellt. Statt in Fantasien zu schwelgen möchte ich interessierten Menschen aus der praktischen Freilandforschung berichten. Dabei geht es mir um den Wolf und nichts anderes.

    Wenn Sie weitere Fragen Wolfsverhalten oder Literaturnachweise betreffend haben, können Sie mir auch gerne eine E-Mail schreiben.
    Mfg. G. Bloch
    Somit si

  13. Hendrik Boesch

    Moin

    Zitat: „Ich kann mir so gar nicht vorstellen, dass mein “Sensibelchen” in einem Rudel jemals die Aufgabe eines Leithundes übernehmen könnte.“

    Das kann ich mir auch nicht vorstellen, dabei gibt es aber eben einen wichtigen Unterschied zum Wolf.
    Wolfsfamilien sind natuerliche Familien, zwei Tiere finden sich zusammen, paaren sich, gruenden eine Familie. Dieses Paar wird weiter zusammenbleiben, Jungtiere wandern in einem gewissen Alter ab oder werden rausgeschmissen, es wirken natuerliche Einfluesse auf die Zusammensetzung der Familie (wenn ein Tier auf natuerlichem Wege stirbt).

    Hundebesitzer stellen ihre Hunderudel zusammen und geben ihnen ein gewisses Mitspracherecht. Letztendlich entscheidet aber der Halte, was passt und was nicht. In der Natur hat ein Wolf die Moeglichkeit sich seinen Partner auszusuchen, was oft mehrere Wochen dauern kann. Die beiden Partner entscheiden fuer sich, ob sie passen, nicht ihr Halter. So ein bisschen wie Zwangsheirat oder die freie Entscheidung, wer wen heiraten will.

    Ich finde auch den Begriff Leithund nicht passend im Vergleich mit Woelfen. Guenther Bloch spricht immer noch von den A-, B- und C-Typen, wie ihnen jeder Wolfspate bestaetigen kann, der aktuelle Berichte ueber die Familie bekommt. Diese Charakterisierungen haben aber mit der ‚Leitung‘ der Familie nichts zu tun. Ein B-Typ Ruede hat die von Guenther und Karin Bloch studierte Familie vor vier Jahren verlassen und wurde Dank Telemetrie 100km entfernt identifiziert. Obwohl er nicht der ‚Leitruede‘ in seiner alten Familie gewesen ist, hat er erfolgreich eine Familie gegruendet, die letzten Fruehling zum vierten Mal in Folge Nachwuchs bekommen hat.

    Sein Verhalten entspricht aber immer noch dem B-Typ, zu sehen ist er kaum. Da diese Familie nicht staendig beobachtet wird (im Gegensatz zur Elternfamilie, die mitten im Banff NP zwischen Schiene, Strasse und Millionen Touristen lebt, ist diese Familie in einem komplett anderen Gebiet (weniger Touristen, keine Schiene, weniger Verkehr, aktive Bejagung usw.)), ist es schwer zu sagen, ob er der tonangebende Teil der Eltern ist, oder seine Partnerin. Da aber auch die sich kaum oeffentlich zeigt, vermutet ich, dass auch sie B- oder C-Typ ist.

    Ihren Charakter uebertragen sie aber nicht auf ihren Nachwuchs oder aendern einen A- auf einen B-Typen. Letztes und vorletztes Jahr hatte die Familie mindestens zwei A-Typ Welpen, die im Gegensatz zu ihren Eltern kein Problem hatten, am Auto eines Freundes zu schlafen oder sich im Abstand von wenigen Metern fotografieren zu lassen, waehrend der Rest der Familie ausser Sicht blieb (an Hand vom Heulen konnte mein Freund sicher sein, dass mindestens vier weitere Tiere in der Naehe in den Baeumen versteckt blieben).

    Ich kenne neben Guenther und Karin Bloch noch weitere Verhaltensforscher, nicht nur zum Thema Kaniden, auch und vor allem zum Thema Grizzly. In den letzten fuenf Jahren ist mir noch nicht ein Mal vorgekommen, dass einer dieser Menschen seine Ergebnisse als allgemeingueltig erklaert. Weder Guenther noch andere nehmen sich heraus zu sagen, sie wissen alles. Im Gegenteil. Gerade Guenther scheut sich nicht, auch mal Fehler einzugestehen, oeffentlich und schriftlich. Selbst nach Jahrzehnten (ein mir bekannter Grizzlyforscher arbeitet seit jetzt bald 50 Jahren in der Verhaltensforschung) gestehen sie ein, dass sie ihre Vermutungen und Ansichten auch mal revidieren mussten. Ich habe in unzaehligen Seminaren und Vortraegen bei diesen Menschen auch nie erlebt, dass sie Teilnehmern gegenueber ausfallend geworden sind und sie fuer dumm erklaert haben.

    Selbst wenn diese Menschen dann mal keine Antwort hatten auf Verhalten das ich beobachtet oder dokumentiert hatte, haben sie mir nicht irgendwelchen Bloedsinn erzaehlt, sondern gesagt „Ich kenn da jemanden, der kann dir vielleicht weiterhelfen!“ oder „Lies mal das und das Buch, da hat sich jemand mit exakt diesem Thema befasst“.

    Da kann ich irgendwo verstehen, dass diesen Menschen irgendwann gelinde gesagt der Hintern platzt, wenn Frau Ertel wissentlich derartigen Bloedsinn ueber Woelfe verbreitet, um ihre Thesen zu untermauern.

    Schauen Sie sich den Schwachsinn doch mal an: http://web.archive.org/web/20140625104145/http://rudelstellungen.eu/woelfe
    Frau Ertel behauptet allen Ernstes, dass an Hand dieser Aufnahme nicht nur eine Struktur in einer Wolfsfamilie zu erkennen ist, sondern dass diese auch auf Hunde uebertragbar ist, in ihrem System.

    Zuerst ein Mal ‚bedankt‘ sie sich bei Chadden Hunter, wobei sie froh sein kann, dass er sie nicht auf Urheberrechtsverletzung verklagt. Waere es eine meiner Aufnahmen, haette ich sie nach allen Regeln der Kunst durch alle Instanzen geschleppt und ihr juristisch derart in den Arsch getreten, dass sie ein Jahr nicht mehr sitzt. Sie hat weder die Vorstellung davon wieviel Zeit, Energie und Geld Naturfotografen und Verhaltensforscher fuer ordentliche Wolfsaufnahmen aufbringen, noch gibt sie ihnen ein Minimum an Respekt fuer diese Arbeit. Das ist schlicht und ergreifend schaebig und mit nichts zu entschuldigen.

    Der naechste Satz zu anderen Wolfsaufnahmen ist ebenfalls nichts weiter als Bloedsinn. Woelfe ziehen nicht ‚zur Jagd‘ und ‚kehren zurueck‘. Woelfe wandern aus verschiedensten Gruenden in ihrem Revier durch die Gegend. Wenige Wochen im Jahr ist das der Fall, wenn die Faehe im Bau ist. Und auch dann zieht nicht der Rest der Familie staendig gemeinsam aus um Nahrung fuer sie zu holen, oftmals laufen Einzeltiere los. Sie koennen an Hand einer einzigen Aufnahme ohne jegliche Hintergrundinformationen vom Fotografen dazu nicht erkennen, wohin eine Wolfsfamilie unterwegs ist oder warum. Ohne diese Info laengere Beobachtung vor Ort oder mehrminuetiges Video ist das Schlicht und Ergreifend nicht machbar. Das Frau Ertel keine weiteren Informationen eingeholt hat, ist ebenfalls klar, sonst waere Hunter nicht ueberrascht ueber den Missbrauch seiner Aufnahme und hatte nach Kenntnis zusaetzlich nicht noch Frau Ertels Theorie widersprochen.

    Als naechstes berichtet sie von dem ominoesen Foto einer strukturierten Wolfsfamilie in einem Wolfsband. Sie hat bis heute nicht gesagt, um welchen Bildband es sich handelt. Sowas ist unserioes. Ich berufe mich nicht auf irgendetwas, ohne dann zumindest die Quelle anzugeben. Interessant waere es vor allem auch zu erfahren, wie ein Pilot waehrend eines Transatlantikfluges so eine Aufnahme macht, zumal in den 80er Jahren. Dazu benoetigen sie eine Brennweite, fuer die man im Cockpit ein offenes Verdeck braucht, um es in einem Winkel zu halten fuer eine Aufnahme am Boden. Oder sie fliegen mal eben im 45-90 Grad Winkel, was fuer Piloten auf festgelegter Route um Woelfe zu knippsen das Ende ihrer Karriere und in Nordamerika womoeglich eine Festsetzung der Behoerden bedeutet. Selbst wenn die Flughoehe so gering ist, um Woelfe mit blossem Auge zu erkenn, wird es sich um den Ab- bzw Anflug handeln, bei dem ein Pilot wohl kaum Zeit oder Nerven zum Fotografieren hat.
    Bleibt die Frage, warum bei abertausenden Aufnahmen von Woelfen offensichtlich nur zwei existieren, welche die Strukturthese von Frau Ertel untermauern. Waere die Struktur wirklich genetisch belegbar, muesste mehr Aufnahmen diese zeigen.

    Frau Ertel sagt, sie kann auf diesem Bild ein strukturiertes Rudel mit 25 Woelfen und verschiedenen Strukturen erkennen. Das ist interessant, ihre Meinung, aber eben nicht belegbar. Ich koennte Ihnen auch erzaehlen, dass auf dem Bild eine Wolfsfamilie zu sehen ist, die Bier holen geht. Vater voran als Volljaehriger, dahinter 24 weitere Mitglieder, eins pro Flasche zum Tragen. Beides ist reine Interpretation einer Aufnahme, ich muss es nur moeglichst ueberzeugend erzaehlen, bis mir jemand glaubt. Hat aber mit Natur und realem Verhalten nichts zu tun.

    Frau Ertel sagt, sie kann all das aus den Abstaenden zwischen den Tieren erkennen. Wobei sie wie bereits gesagt angeblich in der Lage ist, eine Rudelstellung zu erkennen, aber nicht mal faehig ist, die Jungtiere zu erkennen, die eindeutig zu sehen sind.
    Dazu faellt ihr auch nicht auf, oder sie verschweigt es wissentlich, in der Hoffnung alle Leute sind bloed, dass diese Familie nicht in einer Schnurstruktur mit festgelegten Abstaenden unterwegs ist. An Hand der Spuren im Schnee ist klar zu erkennen, wie das von ihr nummerierte Tier #6 gerade im Begriff ist, sich in ihre angebliche Struktur von aussen einzureihen, seine Spur kommt aus dem rechten Bildrand zu den restlichen Tieren zurueck. Daneben zeigen auch Spuren ganz am oberen Bildrand sowie zwischen den Tieren 9-19, dass die Tiere zwischendurch die ‚Struktur‘ immer wieder verlassen haben. Rein physikalisch ist es gar nicht moeglich, dass bei diesen Umwegen einzelner Tiere auf Grund der noch so kleinen Umwege die Abstaende gleich bleiben, wenn die Familie nicht staendig innehaelt.
    Zig Menschen, auch ich, haben jedoch unzaehlige Aufnahmen, sei es Bild oder Video, auf dem man sehen kann, wie die Reihenfolge in der Woelfe unterwegs sind, sich aus den unterschiedlichsten Gruenden von Minute zu Minute aendert und die Ursprungsformation nicht wiederholt eingenommen oder beibehalten wird.

    Wuerden diese festgelegten Strukturen existieren, waeren sie in in den letzten Jahrzehnten sicherlich auch anderen Forschern und Beobachtern aufgefallen. Warum sind sie das nicht, wenn sie angeblich ueber Generationen genetisch festgelegt sind? Entweder wuerden Woelfe nie irgendwo hinkommen, weil sie staendig warten muessten, wenn ein Miglied mal einen Haufen macht, damit dieses seine festgelegte Binde- oder Leitaufgabe uebernimmt. Oder die individuellen Tiere wuerden staendig unnuetze Energie verschwenden, um staendig hinterherzuflitzen, damit sie wieder zwischen Tier 5 und 7 kommen.
    Wenn diese Strukturen belegbar waeren, haette man sie sicherlich mal zur Diskussion gestellt, selbst theoretisch. Frau Ertel kann all das, ohne belegbare Dokumente der jahrzehntelangen Forschung und Beobachtung ihres angeblichen Lehrmeisters?

    Nichts davon hat bisher ein Verhaltensforscher wiederholt beobachtet, dokumentiert oder beschrieben. Da stellt sich die Frage, ob diese Menschen blind sind, oder ob es sich nicht doch nur um eine Theorie handelt, die Frau Ertel auf Woelfe projeziert, um ihr ‚Wissen‘ vermarkten zu koennen.

    Ich will gar nicht gross auf die Hundekiste eingehen, dazu befasse ich mich nicht genug damit. Was Frau Ertel aber zu Woelfen, ihrem Verhalten und einer angeblichen Struktur verkauft, ist schlicht und ergreifend nicht belegt und entweder fahrlaessig oder offensichtlich gelogen. Bis heute hat Frau Ertel ihre Behauptung mit Nichts untermauert, dass sie freilebende Woelfe beobachtet hat. Das gehoert sich bei jedem Verhaltensforscher, ob abhaengig oder unabhaengig zum guten Ton. Sie nennt auch keine Referenzen oder zeigt, dass sie ihre Beobachtungen mit anderen Forschern diskutiert hat und was die Ergebnisse waren, so wie es jeder andere Verhaltensforscher macht. Warum also weigert sich sich, wenn sie doch damit ganz einfach ihre Arbeitsergebnisse aus diesen Beobachtungen zum Untermauern ihrer Theorie nutzen koennte? Bei Frau Ertel ist alles nur ‚erlebt‘ und ‚beobachtet‘, aber nicht dokumentiert. Reine Theorie eben.

    Wenn Frau Ertel auch nur eine Woche mal Woelfe beobachtet haette, wuerde sie schliesslich Material zur Verfuegung haben. Wer aber offensichtlich noch nicht mal einfachstes Kenntnisse im Spurenlesen – und verstehen hat oder eine Wolfsfamilie auch nur mal 5 Minuten unterwegs beobachtet hat, der muss sich nicht wundern, wenn da einige Wolfsexperten mit jahrzehntelanger, realer Praxiserfahrung sagen „Moment mal!“ und ihr Daten und Fakten aus jahrzehntelanger Arbeit entgegenhalten. Gerade, wenn diese unrichten Fakten, ich sage da direkt Luegen, dazu genutzt werden, um angebliches Wolfsverhalten auf Hunde zu uebertragen.

    Sorry, ist ein wenig lang geworden. Aber wenn dann jemand wie Frau Ertel ihren Kunden auch noch erzaehlt, in Wolfsfamilien wuerde es ‚Loser‘ geben und Woelfe wuerden auch schon mal qualitativ minderwertige Wuerfe toeten, dann sehe ich es gerade zu als Pflicht eines jeden serioesen Verhaltensforscher, Beobachter oder Biologen an, kritisch zu Antworten und ihre Aussagen kritisch zu hinterfragen. Das hat nichts mit verschiedenen Geschaeftsmodellen zu tun oder ihre Arbeit niederzumachen. Wenn ich Aussagen treffe, erfolgt nun mal eine Reaktion. Und wenn Hinterfragen nicht erlaubt ist, ist offensichtlich, dass etwas nicht stimmt.

    Gerade, wenn auf diesem erlogenem Verhalten Tauschaktionen von Hunden durchgefuehrt werden, die noch nach Jahren ihrem Umfeld entrissen werden, damit irgendwelche Idioten ihre Vorstellung vom ‚idealen Besatz‘ durchdrucken, um ihr Ego zu befriedigen. Von nichts anderem reden wir hier, auch basierend auf den Luegen von Frau Ertel ueber Wolfsverhalten. Das ist in meinen Augen unethisch, unmoralisch und absolut pervers. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie unserer Hund unter sowas kaputt gehen wuerde.

    Vor allem, warum bei Hunden aufhoeren? Warum nicht die perfekte Familie basteln? Wenn ein Fussballfan einen langweiligen Buecherwurm als Sohn hat, warum nicht ueber ein Forum mit einer anderen Familie tauschen, die einen fussballverrueckten Sohn hat, aber einen lernwilligen Karrietypen will? Vor der Geburt kann man ja auch entscheiden, ob man eine Fehlbesetzung, zum Beispiel Kinder mit Trisomie 21, haben will oder nicht. Warum also nach der Geburt bei der Durchsetzung des idealen Familienidylls aufhoeren? Wen kuemmert es, wie es den Kindern dann geht, so lange man dem Ratschlag eines ‚Experten‘ folgt, der die Formel fuer die ideale Familie mit Harmonie und ohne Konflikten gefunden hat.

    Auch da wuerde glaube ich nicht nur ich erwarten und hoffen, dass Menschen sagen, ‚denkt nicht nur an euch, denkt auch an die Folgen derer, die ihr tauscht‘.
    Wir reden hier von Lebewesen mit Gefuehlen und Emotionen, nicht von dem fehlendem Sammelstueck fuer eine komplette oder perfekte Sammlung.

    Gruss
    Hendrik Boesch

  14. Susanne

    Zitat Hendrik Boesch: „Gerade, wenn auf diesem erlogenem Verhalten Tauschaktionen von Hunden durchgefuehrt werden, die noch nach Jahren ihrem Umfeld entrissen werden, damit irgendwelche Idioten ihre Vorstellung vom ‘idealen Besatz’ durchdrucken, um ihr Ego zu befriedigen. Von nichts anderem reden wir hier, auch basierend auf den Luegen von Frau Ertel ueber Wolfsverhalten. Das ist in meinen Augen unethisch, unmoralisch und absolut pervers. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie unserer Hund unter sowas kaputt gehen wuerde.

    […]

    Wir reden hier von Lebewesen mit Gefuehlen und Emotionen, nicht von dem fehlendem Sammelstueck fuer eine komplette oder perfekte Sammlung.“

    Dem ist nichts hinzuzufügen, auch nicht Ihren sonstigen Ausführungen, die ich mit Interesse gelesen habe!

  15. Annette Spelger

    Mir kamen ebenso spontan die gleichen Gedanken wie Herrn Boesch: Was wäre denn, wenn eines meiner fünf Kinder nicht ins Rudel gepasst hätte? Zur Adoption freigeben? Wäre das Verhalten und die Stellung im Leben genetisch vorgegeben, so könnten wir die Evolution auch gleich beenden, denn eine Anpassung an die Umwelt würde nicht mehr stattfinden. Und warum bei den Caniden aufhören?
    Leider kann ich nicht aus einem so reichen Schatz an verhaltensbiologischen Untersuchungen schöpfen wie meine Vorkommentatoren, aber als „gelernte“ Biologin und als Mehrhundhalterin kann ich die Theorie der Rudelstellung nicht unterstützen.

  16. Timbra

    Hendrik Boesch: „Sie nennt auch keine Referenzen oder zeigt, dass sie ihre Beobachtungen mit anderen Forschern diskutiert hat und was die Ergebnisse waren, so wie es jeder andere Verhaltensforscher macht.“

    Dabei hätte sie eine gute Gelegenheit dazu gehabt:
    http://www.gfh-wolfswinkel.de/pressearbeit/
    Aber die Dame wollte offensichtlich nicht…

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